Im Mind-Body-Ansatz sprechen wir oft über die Bedeutung eines regulierten Nervensystems. Atemübungen, Meditation oder auch achtsame Bewegungen können helfen, Stress abzubauen und den Körper in einen Zustand von Sicherheit zu bringen. Doch was passiert, wenn diese hilfreichen Techniken unbewusst dazu genutzt werden, Unbehagen, Unsicherheit oder unangenehme Gefühle zu vermeiden?
Wann ist Nervensystemregulation sinnvoll?
Nervensystemregulation ist immer dann sinnvoll, wenn sie dir hilft, in stressigen oder überwältigenden Momenten wieder in einen Zustand von Sicherheit und Klarheit zu finden. Sie kann dir dabei helfen, aus einem reaktiven Zustand (z. B. Kampf-Flucht-Starremodus) herauszukommen und dich wieder mit deinem Körper, deinen Gefühlen und deinem Hier und Jetzt zu verbinden. Hier sind einige Situationen, in denen Nervensystemregulation besonders hilfreich sein kann:
Akute Stresssituationen: Wenn dein Herz rast, du dich überfordert fühlst oder das Gefühl hast, die Kontrolle zu verlieren, kann Nervensystemregulation dir helfen, einen Moment der Ruhe zu schaffen und klarer zu denken.
Emotionale Überwältigung: Bei intensiven Gefühlen wie Wut, Traurigkeit oder Angst ermöglicht dir Regulation, diese Emotionen zu spüren, ohne von ihnen überwältigt zu werden.
Chronischer Stress: Wenn du dich dauerhaft angespannt fühlst, helfen regelmäßige Übungen wie Atemtechniken oder Meditation, deinem Nervensystem zu signalisieren, dass es sicher ist, loszulassen.
Vorbereitung auf schwierige Situationen: Wenn du weißt, dass etwas Anstrengendes bevorsteht (z. B. ein schwieriges Gespräch oder ein Vortrag), kannst du dein Nervensystem vorab beruhigen, um zentriert und präsent zu bleiben.
Regeneration nach Belastungen: Nach stressigen oder herausfordernden Ereignissen hilft dir Nervensystemregulation, schneller in einen Zustand von Entspannung zurückzukehren und dein Wohlbefinden zu fördern.
Einige Nervensystem-Tools beschreibe ich auf dieser Webseite unter dem Menüpunkt TOOLS.
Die Schattenseite der Regulation
Es ist ein schmaler Grat zwischen der bewussten Pflege des eigenen Wohlbefindens und der unbewussten Flucht vor dem, was uns im Inneren belastet. Wenn wir uns ausschließlich auf Regulationstechniken verlassen, um Unangenehmes zu unterdrücken oder nicht tolerieren zu müssen, kann dies langfristig dazu führen, dass wir bestimmte Emotionen oder Situationen meiden. Statt Unsicherheit oder unangenehme Gefühle zuzulassen bzw. auszuhalten, können wir in ein Muster geraten, das uns vermeintlich vor Unbehagen schützt, uns aber gleichzeitig daran hindert, dem Gehirn und dem Nervensystem zu vermitteln, dass Gefühle da sein dürfen, sie harmlos sind und wir in Sicherheit sind.
Warum Vermeidung keine Lösung ist
Emotionen wie Angst, Unsicherheit oder Traurigkeit sind nicht unsere Gegner. Sie sind Botschaften unseres Körpers, die uns wichtige Hinweise darauf geben, was in uns vorgeht. Wenn wir diese Gefühle permanent wegregulieren, unterdrücken wir nicht nur die unangenehmen Empfindungen, sondern auch die Möglichkeit, daraus zu lernen und neue Erfahrungen zu machen. Vermeidung mag kurzfristig Erleichterung bringen, kann aber langfristig Stress und innere Spannungen verstärken.
Wie erkennen wir Vermeidungsmuster?
Vielleicht stellst du dir die Frage: Nutze ich meine Regulierungstechniken, um mich wirklich zu beruhigen, oder versuche ich, etwas Unangenehmes zu vermeiden? Hier sind ein paar Anzeichen, die darauf hinweisen könnten, dass du dich in einem Vermeidungsmuster befindest:
Du greifst reflexartig zu Atemübungen, sobald ein unangenehmes Gefühl auftaucht, ohne dir anzuschauen, was das Gefühl dir sagen möchte.
Du vermeidest bestimmte Situationen oder Gespräche, in denen du Unsicherheit spürst, und rechtfertigst dies mit „Selbstfürsorge“.
Du fühlst dich überwältigt, sobald eine Regulationstechnik nicht sofort wirkt, und suchst nach der nächsten Methode, um dich besser zu fühlen.
Der Weg zu mehr Toleranz für Unbehagen
Der Schlüssel liegt darin, eine Balance zu finden: Techniken zur Nervensystemregulation können uns unterstützen, aber sie sollten nicht dazu dienen, unangenehme Gefühle komplett zu umgehen. Hier sind einige Ansätze, die dir helfen können, Unbehagen und Unsicherheit bewusster zu begegnen:
Beobachte ohne zu bewerten: Wenn ein unangenehmes Gefühl auftaucht, halte kurz inne. Wie fühlt es sich an? Wo spürst du es im Körper? Kannst du es einfach wahrnehmen, ohne sofort darauf zu reagieren?
Erinnere dich daran, dass Gefühle vorübergehen: Emotionen sind wie Wellen – sie kommen und gehen. Zu lernen, mit ihnen zu sein, anstatt sie sofort zu ändern, stärkt dein Vertrauen in dich selbst.
Erkunde deine Gedanken: Manchmal ist es nicht das Gefühl selbst, das uns belastet, sondern die Geschichte, die wir uns darüber erzählen. Welche Gedanken tauchen auf? Sind sie wirklich wahr?
Die Balance zählt
Nervensystemregulation ist ein wertvolles Werkzeug, aber es ist nicht das Ziel, als Flucht vor unangenehmen Gefühlen oder Situationen zu nutzen. Vielmehr geht es darum, die Fähigkeit zu entwickeln, Unbehagen auszuhalten und Unsicherheiten mit Neugier und Mitgefühl zu begegnen. Sie kann dir als Werkzeug dienen, um dich zu stabilisieren und von dort aus mit schwierigen Emotionen oder Unsicherheiten umzugehen. Es geht nicht darum, alles „wegzuregulieren“, sondern darum, dich in deiner Fähigkeit zu stärken, präsent und handlungsfähig zu bleiben – auch in herausfordernden Momenten. Das ist keine einfache Aufgabe, aber eine, die dein Wachstum und deine Resilienz nachhaltig fördern kann.
Nimm gerne Kontakt auf wenn du Unterstützung brauchst. Mehr zu meinem Therapieansatz findest du hier: www.gretestrunz.de
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