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  • AutorenbildGrete Strunz

Der Druck auf Sportler in einem Olympischen Jahr – Ein Einblick in eine besondere Herausforderung


IMAGO  Bildbyran  Vegard Grott
Copyright: IMAGO Bildbyran Vegard Grott

Stell dir vor, du lernst 4 Jahre lang für eine Prüfung und hast nur diese eine Chance zu bestehen. Und dann musst du die Prüfung an dem nächsten Tag und vielleicht sogar noch Tag danach genauso perfekt schreiben und bestehen. Wenn du nicht bestehst, bekommst du vielleicht erst in 4 Jahren eine neue Chance, vielleicht aber gar keine mehr. Beängstigend, oder?

Einen ähnlichen Druck haben Sportler* im Olympischen Jahr. Sie trainieren jahrelang für diesen einzigen Moment – die Olympischen Spiele. Die Olympischen Spiele sind das größte sportliche Ereignis der Welt und für viele Sportler der größte Traum. Athleten stehen im olympischen Jahr unter immensem Druck, ihre persönliche Bestleistung im entscheidenden Moment abzurufen. Der Druck, sich zu qualifizieren, den Karrierehöhepunkt zu erreichen, Medaillen zu gewinnen und die Erwartungen und Ansprüche zu erfüllen, ist allgegenwärtig.


Ich bin schon seit meiner Kindheit ein großer Olympia Fan. Die Spiele fesseln mich, ich freue mich und leide mit den Sportlern, fiebere mit - auch bei Sportarten, an denen ich normalerweise eher weniger interessiert bin. Wie die Spitzensportler diesen mentalen Leistungsdruck aushalten und meistern, um für die harte Arbeit belohnt zu werden - das faszinierte mich schon immer, auch als ich als Teenager selber im Leistungssport unterwegs war. Dieses Jahr habe ich die Olympischen Spiele auch aus der Perspektive des Mind-Body-Ansatzes beobachtet. Ich bin keine Ärztin, ich kenne die Sportler nicht persönlich und halte nichts von Ferndiagnosen, aber ich kann mir vorstellen, dass bei so manchen Sportlern plötzlich auftretende körperliche Probleme kurz vor dem Wettbewerb oder zunehmende Schmerzen mitten im Wettbewerb, oder auch schmerzhafte Trainingseinheiten schon in der Vorbereitungszeit mit diesem enormen mentalen Leistungsdruck in Verbindung standen. Es steht einfach sehr viel auf dem Spiel! Aber mehr dazu später.



Der Körper - am Limit


In einem olympischen Jahr wird der Körper des Sportlers bis an seine Grenzen gebracht. Jede Trainingseinheit muss perfekt sein, damit das Formtiming perfekt ist. Dabei geht es nicht nur um den Muskelaufbau, die Schnelligkeit oder die Technik, sondern auch darum, Verletzungen oder Infektionen zu vermeiden, die den Traum von Olympia gefährden könnten. Es ist ein Balanceakt zwischen dem Wunsch, alles zu geben, und der Sorge, dass eine falsche Bewegung alles zunichtemachen könnte.


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Zusätzlich kommt der straffe Wettkampfkalender hinzu, der im Vorfeld der Olympischen Spiele oft besonders dicht gepackt ist. Nicht jeder darf zu den Olympischen Spielen - Qualifikationswettkämpfe und Vorbereitungswettbewerbe erfordern es, dass Athleten mehrmals ihre Höchstform erreichen müssen.




Der Kopf – immer unter Druck


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Die mentale Gesundheit von Athleten wird in einem olympischen Jahr besonders auf die Probe gestellt. Die Olympischen Spiele finden halt nur einmal alle 4 Jahre statt, und der Traum von einer Medaille oder an der Teilnahme kann erdrückend sein. Die Sportler wollen nicht nur ihre Familie, Freunde und Trainer stolz machen, sondern auch sich selbst beweisen, dass all die Opfer und die harte Arbeit sich gelohnt haben. Viele Sportler geben in der Zeit vor den Olympischen Spielen oft so vieles auf – Treffen mit Freunden, Familienfeiern, und manchmal sogar die Zeit für sich selbst. Alles, um sich auf den großen Moment vorzubereiten. Das kann einsam machen und zehrt an den Kräften. Die Isolation und der Verlust eines normalen sozialen Lebens sind ebenfalls emotional belastend.


Die Gedanken kreisen ständig um die bevorstehenden Wettkämpfe: „Bin ich gut genug? Werde ich den Erwartungen gerecht?“ Solche Fragen können einen nachts wachhalten. Der mentale Druck ist riesig, weil es nicht nur um einen selbst geht, sondern um all die Menschen, die an einen glauben und einen unterstützen.


Auch den fähigsten Athleten kann es passieren, dass während sie vorab als die absoluten Favoriten gefeiert werden, im entscheidenden Moment ihre gewohnte Leistung doch nicht erbringen können. Der hohe Druck führt dazu, dass sie mental blockiert werden und somit unter ihren Möglichkeiten bleiben, z.B. wenn man im Hochsprung die eigentlich sichere Einstiegshöhe nicht überquert, oder wenn man im Match lange führt, aber plötzlich Fehler einschleichen und man das Match am Ende doch verliert. Dieses Phänomen ist im Leistungssport als "Choking under pressure" bekannt.


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Ein starkes Beispiel ist die als beste Turnerin der Welt geltende Simone Biles, die bei sich den Zustand selbst erkannt hat und sich während der Olympischen Spiele 2021 aus mehreren Wettbewerben zurück zog. Sie erklärte, dass sie mit mentalem Druck zu kämpfen hatte und mental nicht in der Lage war, ihre gewohnten Leistungen abzurufen. In einigen Sportarten, und dazu zählt definitiv auch das Turnen, können Fehler, die im dem "choking under pressure" Zustand passieren ziemlich gefährlich für den Sportler enden.


Die Erwartungen der Öffentlichkeit


In einer Welt, in der jeder Schritt auf sozialen Medien geteilt und kommentiert wird, fühlen sich viele Sportler ständig beobachtet. Es ist, als ob die ganze Welt zuschaut und wartet, wie man abschneidet. Dieser Druck, immer perfekt zu sein, kann erdrückend sein. Dabei wollen die meisten Athleten doch nur das tun, was sie lieben – Sport treiben und ihr Bestes geben. Anhand des Beispiels von Simone Biles in Tokyo 2021, viele lobten sie für ihren Mut, offen über ihre mentale Gesundheit zu sprechen und den Druck der Öffentlichkeit nicht über ihre eigene Sicherheit zu stellen. Aber sie musste auch viel Kritik einstecken – sie wurde in den (sozialen) Medien auch als feige, schwach und unpatriotisch geschimpft, was ihre mentale Situation noch schwieriger machte.


Auch Sponsoren und Sportverbände haben oft hohe Erwartungen an die Athleten, die mit finanziellen und karrieretechnischen Konsequenzen verknüpft sind. Das Wissen, dass die eigene Zukunft und die Unterstützung von Sponsoren von der Leistung bei den Spielen abhängt, kann den Druck weiter erhöhen.


Der Druck, die Erwartungen zu erfüllen, verletzungsfrei zu bleiben, in dem entscheidenden Moment, die Bestleistung abzurufen, sich nicht von Konkurrenz ablenken zu lassen, kann zu Angstzuständen, Schlaflosigkeit und Schmerzen führen.



Leistungsdruck kann körperliche Schmerzen hervorrufen


Der auf Wissenschaft basierte Mind-Body-Ansatz geht davon aus, dass das Gehirn in Reaktion auf intensive emotionale Belastungen oder psychischen Stress reale körperliche Schmerzen erzeugen kann, um die Person zu schützen oder abzulenken. Also, wenn wir emotionalen Stress erleben, reagiert der Körper oft auf eine Weise, die ursprünglich dazu gedacht war, uns zu schützen, z.B. in einer Gefahrensituation. Schmerz ist so ein Schutzmittel des Gehirns. Eine Gefahrensituation ist eine Situation, in der es "ums Leben und Tod" geht und das Nervensystem im Überlebensmodus ("Fight-or-Flight“) funktioniert. Es ist dabei für das Gehirn und für das Nervensystem egal, ob diese Gefahr tatsächlich besteht oder nur vermeintlich ist. Diesbezüglich hat sich das Gehirn seit der Zeit unserer Vorfahren nicht viel geändert. Wenn es bei unseren Vorfahren vor tausenden Jahren in fast jeder täglichen Situation tatsächlich ums Leben und Tod ging, sind die Gefahren in der modernen Welt deutlich geringer, werden aber vom Gehirn (vor allem von dem ältesten, evolutionär entwickelten Teil des menschlichen Gehirns, von dem sogenannten Reptiliengehirn (oder auf Englisch Lizard brain)) trotzdem als solche gedeutet.


Oben habe ich ausführlich beschrieben, wie sich der körperliche und der mentale Druck bei Sportlern, besonders im Olympischen Jahr, äußern können. Die Ängste - die Angst zu versagen, die Angst nicht gesund zu bleiben, usw. - sind ständig (bewusst oder unbewusst) präsent. Gedanken wie "ich muss es schaffen, oder...." und Gefühle wie Angst vermitteln dem Gehirn die Botschaft, dass man sich in einer Gefahrensituation a la "Do-or-Die" befindet, und ein Schutz nötig ist. Die Olympischen Wettbewerbe werden hier von dem Gehirn als eine echte "Gefahrensituation" deutet. Das Gehirn hat nur eine Aufgabe - das Leben zu schützen - und es aktiviert Schmerzsignale im Körper, um den Sportler vor dieser "Gefahrensituation" zu schützen. Das ist eine automatische physiologische Reaktion, worüber das Gehirn anhand der vielen Informationen aus dem Nervensystem und Umgebung entscheidet. Es fragt nicht nach, ob es um tatsächliche Lebensgefahr handelt oder ob die Gefahr nur vermeintlich und subjektiv (unbewusst) so wahrgenommen wird. Es reagiert, weil es reagieren muss.

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Mit Schmerzen hat das Gehirn diese Aufgabe erfüllt - der Sportler kann nicht an dem Wettbewerb teilnehmen und ist damit "außer Gefahr". Für das Gehirn steht der Schmerz als Schutz und Ablenkung als weniger bedrohlich dar als der Leistungsdruck, den der Sportler bezüglich Vorbereitung auf die Olympische Spiele erlebt.


Hier paar Beispiele, die selbstverständlich eine strukturell-medizinische Erklärung haben können, aber bei denen auch eine emotionale Ursache nicht auszuschließen ist:

  • Je näher der Wettbewerb rückt, desto doller wird der (Rücken)schmerz des Sportlers.

  • An dem Wettbewerbstag meldet sich eine (alte) Verletzung mit Schmerzen (wieder), häufig in dem Körperteil, der für die gute Leistung unabdinglich ist.

  • Ein Ersatzsportler rückt unerwartet ins Staffel-Team, bekommt aber vor dem Finale muskuläre Probleme, und muss am Finaltag gegen ein anderes Teammitglied ausgetauscht werden.

  • Ein Goldmedaillenfavorit kämpft in der Olympiavorbereitung monatelang mit Schmerzen und Verletzungen, kann sich nicht ausreichend vorbereiten und verpasst Olympiateilnahme.


Der Umgang mit dem Druck


Um diesen extremen Druck zu bewältigen. suchen immer mehr Sportler Unterstützung bei Mentaltrainern oder Sportpsychologen. Langsam wird öfter darüber gesprochen, dass die mentale Stärke und die mentale Gesundheit bei Sportlern genauso wichtig wie die körperliche Vorbereitung ist. Das Verständnis über die Mind-Body Verbindung nimmt eine immer wichtigere Rolle ein. Diese Veränderung in der Sportwelt begrüße ich sehr! Es gibt immer mehr mutige Sportler, die das Thema mentale Gesundheit öffentlich diskutieren und das Priorisieren eigener Bedürfnisse und Grenzen normalisieren.


Mein Beitrag ist es, den Sportlern die Mind-Body Verbindung noch näher zu bringen und ihnen den Raum zu bieten, selbst zu explorieren, wie ihre emotionale Welt ihre körperlichen Empfindungen wie Schmerzen beeinflussen, und umgekehrt. Wie schon oben beschrieben, kann das Gehirn körperlichen Schmerz als eine Form der Ablenkung oder Schutz nutzen, um die Person von überwältigenden emotionalen Druck abzulenken. Indem das Gehirn körperliche Schmerzen erzeugt, lenkt es die Aufmerksamkeit auf eine „lösbare“ physische Bedrohung, was manchmal einfacher zu bewältigen ist als tief sitzende emotionale Konflikte und unterdrückte Gefühle wie Ängste.


Zusammen können wir:

  • die neurowissenschaftlichen Zusammenhänge der Mind-Body Verbindung näher kennenlernen

  • deine unterdrückten Gefühle wie Ängste explorieren

  • deine Selbstsprache analysieren

  • Techniken wie Visualisierung, Meditation und Atemübungen üben, um den mentalen Druck zu mindern und sich besser auf die Wettkämpfe zu konzentrieren.


Nimm gerne Kontakt auf wenn du Unterstützung brauchst. Mehr zu meinem Therapieansatz findest du hier: www.gretestrunz.de


*In diesem Text beziehen sich alle maskulinen Formen auf Personen jeglichen Geschlechts.

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