Wie dein Wissensdurst dich bei deiner Genesung blockiert
Wenn die Tür in die Mind-Body-Welt endlich aufgeht, ist man häufig überwältigt von all dem Wissen und von den Menschen, die diese "Mind-Body-Sprache" sprechen. Wenn man sich dann auch mit dem Mind-Body-Ansatz identifizieren kann und nachvollziehen kann, dass die eigenen chronischen Symptome eine neuroplastische Mind-Body Ursache haben könnten, will man möglichst alles darüber wissen. Man stürzt sich gierig in die Informationssuche, fängt ein Mind-Body Buch nach dem anderen an, hört jede Podcast Folge an, tauscht sich mit anderen Betroffenen aus. Auch wenn die anfängliche Euphorie meistens sehr motivierend wirkt, kann es einen auch ziemlich überfordern. Schnell wird einem klar, dass man noch nicht genug weiß. Auch kommt dazu, dass obwohl bei vielen Mind-Body-Experten* die Kernaussagen ähnlich sind, formulieren sie ihr Wissen trotzdem etwas unterschiedlich und das kann bei Betroffenen zu Verwirrungen führen. "Ich muss mein Wissen noch sortieren, bevor ich mit der Genesungsarbeit anfangen kann."
Das ist ein gutes Beispiel der Prokrastination oder manchmal auch liebevoll als "Aufschieberitis" genannt - das Aufschieben oder Verzögern von Aufgaben, die erledigt werden sollten, mit Aufgaben oder Aktivitäten, die einem das Gefühl geben, für die Erledigung der eigentlichen Aufgabe perfekt vorbereitet zu sein.
Was ist Prokrastination?
Prokrastination ist meistens eine wiederkehrende Gewohnheit, ein Schutzmechanismus, das du schon in der Kindheit bzw. Jugend unbewusst erlernt hast. Sie ist eine Bewältigungsstrategie, mit der versucht wird, unangenehme Emotionen zu regulieren. Anstatt dich der Aufgabe zu stellen, die möglicherweise Frustration oder Versagensängste auslöst, suchst du kurzfristig nach Wohlbefinden und Erleichterung durch Ablenkungen.
Aber bitte nicht missverstehen: Prokrastination ist nicht „Faulheit“. Sie betrifft auch Menschen, die engagiert und leistungsorientiert sind. Es geht weniger um den Mangel an Wille oder Motivation, sondern mehr um den inneren Konflikt und die emotionale Belastung, die mit der Aufgabe verbunden sind.
Was ist Prokrastination durch Informationssuche?
Prokrastination durch Informationssuche ist ein subtiler Ausdruck des inneren Widerstands, weil sie auf den ersten Blick wie etwas Positives und Produktives wirkt. Wer könnte schon etwas dagegen haben, sich gut vorzubereiten, Informationen zu sammeln oder mehr Wissen über ein Thema zu erlangen? Doch hinter dieser scheinbar sinnvollen Tätigkeit versteckt sich oft eine tiefere Angst oder Unsicherheit, die dich davon abhält, die eigentlichen Schritte zu unternehmen, die nötig wären, um voranzukommen.
Diese Form der Prokrastination äußert sich dadurch, dass du dich in endlosen Recherchen, Lesen von Artikeln, Studieren von Fachliteratur oder dem Konsumieren von Videos und Podcasts verlierst – und das alles unter dem Deckmantel der „notwendigen Vorbereitung“. Du sagst dir, dass du „noch mehr lernen“ oder „noch mehr wissen“ musst, bevor du tatsächlich aktiv werden kannst. In Wirklichkeit dient diese Informationsflut dazu, den entscheidenden Schritt nach vorne zu vermeiden.
Warum neigen wir zur Prokrastination?
1. Angst vor dem Scheitern
Die Angst davor, Fehler zu machen oder nicht gut genug zu sein, kann dich davon abhalten, ins Handeln zu kommen. Durch das Sammeln von immer mehr Informationen fühlst du dich sicherer, doch in Wirklichkeit hältst du dich nur in einem Zustand der Vorbereitung fest, ohne jemals zur Umsetzung zu gelangen.
2. Perfektionismus
Du glaubst, dass du „alles wissen“ musst, bevor du beginnst, um es „perfekt“ zu machen. Diese Denkweise hält dich in einem endlosen Kreislauf von Recherche und Planung, weil du niemals das Gefühl hast, genug Informationen zu haben, um tatsächlich zu starten.
3. Vermeidung von Unbehagen
Ins Handeln zu kommen, erfordert Mut und oft auch die Bereitschaft, sich unwohl zu fühlen. Der Gedanke an das eigentliche Tun, sei es ein schwieriges Gespräch, das Anfangen mit dem Üben oder die Konfrontation mit einem Problem, kann so unangenehm sein, dass du stattdessen in die sicherere Zone des Wissensgewinns flüchtest.
4. Illusion von Kontrolle und Sicherheit
Indem du dich auf Informationssuche begibst, hast du das Gefühl, die Situation besser kontrollieren zu können. Wissen gibt ein Gefühl der Sicherheit und verringert das Gefühl von Unsicherheit und Unberechenbarkeit, das mit echten Veränderungen verbunden ist.
5. Unbewusste Sabotage
Manchmal ist die Informationssuche eine Form der Selbstsabotage, bei der du unbewusst den Fortschritt verhinderst, weil du glaubst, nicht bereit oder nicht würdig zu sein, den nächsten Schritt zu tun. Du blockierst dich selbst durch den Zwang, mehr und mehr zu wissen, anstatt einfach zu tun.
Wie erkennt man Prokrastination durch Informationssuche?
- Du fühlst dich ständig „nicht bereit“: Du sagst dir selbst, dass du noch nicht genug weißt, um eine Entscheidung zu treffen oder eine Handlung zu vollziehen, obwohl du bereits über fundierte Kenntnisse verfügst.
- Du verlierst dich in Details: Du verbringst unzählige Stunden damit, immer mehr über ein Thema zu lesen, und lässt dich von immer kleineren Details ablenken, anstatt dich auf das große Ganze zu konzentrieren.
- Du sammelst „nur noch ein bisschen mehr“: Du suchst ständig nach weiteren Artikeln, Büchern, Tutorials oder Meinungen, bevor du bereit bist, den ersten Schritt zu gehen.
- Du vermeidest konkrete Handlungsschritte: Trotz all deines Wissens und deiner Vorbereitung hast du immer noch nicht den ersten, konkreten Schritt unternommen, der nötig wäre, um Fortschritte zu machen.
Wie kannst du die Prokrastination überwinden?
1. Setze klare Grenzen für die Recherche
Begrenze die Zeit, die du für die Informationssuche aufwendest. Erlaube dir zum Beispiel nur eine Stunde, um eine bestimmte Information zu recherchieren, und halte dich an dieses Zeitlimit. Erinnere dich daran, dass du bereits genug Wissen hast, um die ersten Schritte zu unternehmen.
2. Definiere klare Ziele und Handlungen
Setze dir spezifische, messbare Ziele für das, was du erreichen möchtest, und lege konkrete Handlungsschritte fest, die du unternehmen wirst, sobald du eine bestimmte Menge an Informationen gesammelt hast. Dies hilft dir, die Grenze zwischen Recherche und Handlung klar zu ziehen.
3. Erkenne den Punkt des „Genug“
Akzeptiere, dass es immer noch mehr zu wissen gibt, aber dass du genug Informationen hast, um anzufangen. Mach dir bewusst, dass Wissen allein nicht ausreicht, um Veränderungen zu bewirken – es braucht auch Mut und Handeln.
4. Nutze die 5-Sekunden-Regel
Sobald du merkst, dass du in die Informationssuche abschweifst, zähle rückwärts von fünf und bringe dich selbst dazu, den nächsten konkreten Handlungsschritt zu tun. Diese einfache Technik kann dir helfen, aus dem Kreislauf der Prokrastination auszubrechen.
5. Akzeptiere deine Unvollkommenheit
Erlaube dir, Fehler zu machen und unvollkommen zu sein. Verabschiede dich von der Idee, dass du perfekt vorbereitet sein musst, bevor du beginnst. Vertraue darauf, dass du durch das Tun lernst und wächst – und nicht nur durch das Wissen.
6. Belohne dich für Handlungen, nicht für Recherche
Belohne dich selbst für konkrete Handlungen, die dich deinem Ziel näher bringen, und nicht für die Zeit, die du mit Recherche verbringst. Dies kann dir helfen, dein Verhalten so zu ändern, dass du proaktiver handelst.
Setze dein Wissen in Taten um!
Wenn du dich im Genesungsprozess von chronischen Symptomen in der endlosen Schleife der Informationssuche verlierst, ist es wichtig, dir bewusst zu machen, dass Wissen allein nicht heilt – Handeln tut es. Während es verlockend sein kann, sich in stundenlangen Recherchen zu verlieren, ist der wahre Fortschritt oft nur einen Schritt entfernt. Erkenne, dass du bereits genug weißt, um den nächsten Schritt zu wagen. Es ist Zeit, den Mut zu finden, die gesammelten Informationen in die Tat umzusetzen. Jeder kleine Schritt in Richtung Handlung, sei es eine neue Therapie auszuprobieren oder einen gesünderen Lebensstil zu pflegen, bringt dich näher an deine Genesung. Du hast die Kraft, deine Situation aktiv zu verändern und den Weg zur Heilung selbst zu gestalten. Lass dich nicht von der Informationsflut lähmen – setze dein Wissen gezielt ein und mach den ersten Schritt. Dein zukünftiges Ich wird dir dankbar sein!
Nimm gerne Kontakt auf wenn du Unterstützung brauchst. Mehr zu meinem Therapieansatz findest du hier: www.gretestrunz.de
*In diesem Text beziehen sich alle maskulinen Formen auf Personen jeglichen Geschlechts.
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