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Pain Reprocessing Therapy

Die Schmerzumdeutungstherapie (Pain Reprocessing Therapy  auf Englisch oder kurz PRT) ist eine Kombination verschiedener psychotherapeutischen Ansätze aus der Verhaltenstherapie und psychodynamischer Psychotherapie zusammen mit Psychoedukation, um dem Gehirn bewusst zu vermitteln, neutrale Signale des Körpers nicht als "gefährlich" zu interpretieren. In der Therapie wird gelernt, die Schmerzsignale so umzudeuten, dass die Aufmerksamkeit und Bewertung des Schmerzempfindens durch eine Linse der Sicherheit erfolgt. Das Ziel ist es, das autonome Nervensystem zu beruhigen, um anschließend den Kreislauf chronischer Schmerzen und Angst zu durchbrechen. 

Lese unten über die Komponente und den Ablauf einer Schmerzumdeutungstherapie, so wie diese auf der englischsprachigen Webseite des Gründers Alan Gordon www.painreprocessingtherapy.com beschrieben werden: 

Was lernst du mit Pain Reprocessing Therapy
1. Aufklärung

Psychoedukation ist ein wichtiger Teil deiner Selbstheilung. Deshalb beginnt PRT mit der Aufklärung darüber, wie Schmerzen ohne Gewebeschäden entstehen können. Das hast du unter dem Menüpunkt Wissenschaft bereits erfahren.

Anschließend wirst du in der Therapie über den Schmerz-Angst-Teufelskreis aufgeklärt und wie dieser Teufelskreis funktioniert: Schmerz löst Angstgefühle aus. Angst versetzt deinen Körper und dein Gehirn in höchste Alarmbereitschaft . Deine Symptome nehmen zu bzw. werden chronisch. Das führt zu mehr Angst. Mehr Angst führt zu mehr Symptomen.

Du durchbrichst diesen Kreislauf, indem du deine Perspektive änderst und den Schmerz als eine neutrale körperliche Empfindung umdeutest. Deine Schmerzen sind echt, aber statt ihnen eine Bedeutung von Gefahr zu geben, wirst du lernen, die mit den Schmerzen verbundene Angst zu neutralisieren, damit die körperlichen Empfindungen von deinem Gehirn als sicher und safe statt gefährlich wahrgenommen werden.

2. Beweise sammeln

Ein Ziel der PRT ist es, Betroffenen zu helfen, den Glaubenssatz anzunehmen, dass ihre Schmerzen nicht auf strukturelle oder physische Abnormalitäten bzw. Krankheiten zurückzuführen sind. Die Überzeugung, dass die Ursache der Schmerzen Gewebeschäden sind, wird von Kindheit an in uns von der Schulmedizin verstärkt. Es ist gar nicht so einfach, eine 180 Grad Wendung hinzukriegen und der Paradigmenwechsel fällt oft schwer, vor allem aus folgenden Gründen: 

1. Biologie: Wir sind evolutionär dazu programmiert, körperliche Schmerzen mit körperlicher Verletzung zu assoziieren.

2. Frühere Diagnosen: Betroffene mit chronischer Symptomatik wurden bis jetzt fast ausschließlich strukturell diagnostiziert und behandelt.

3. Gelernte Assoziationen: Viele Betroffene mit chronischer Symptomatik haben über längerer Zeit unbewusst eine Konditionierung entwickelt, dass bestimmte körperliche Positionen (z. B. Sitzen, Stehen, Liegen) oder Aktivitäten (z. B. Gehen, Laufen, Bücken) oder äußere Faktoren (Regen, Wärme, harte oder weiche Matratze oder Kissen, falscher Stuhl, o.ä.), das Auftreten von Schmerzen bzw. Symptomatik verstärken.

In der Therapie lernst du deine chronischen Symptome zu hinterfragen und dich selbst als ein Experiment zu betrachten. Du wirst im Alltag über deine Symptomatik Beweise sammeln, z.B. in Form eines Tagebuches oder Merkblattes, dass deine Symptome eigentlich von deinem Gehirn hervorgerufen werden, im Gegensatz zu einem strukturellen Problem in deinem Körper. 

Ist es dir eventuell aufgefallen, dass 

  • deine Symptome während einer stressigen Lebensphase aufgetreten sind? 

  • deine Schmerzen ohne Verletzung angefangen haben?

  • deine Symptome sich widersprüchlich darstellen (mal weniger, mal mehr, in beiden Händen gleichzeitig, usw.)?

  • du eine Vielzahl unterschiedlicher körperliche Symptome hast?

  • deine Symptome in bestimmten Situationen stärker werden bzw. abnehmen? Dass es auch Phasen gibt, wenn du komplett schmerzfrei bist? 

  • du bei bestimmten Aktivitäten keine Schmerzen spürst, obwohl du körperlich aktiv warst? 

  • deine Symptomatik länger als 8 Wochen angehalten hat? Der Körper braucht normalerweise etwa 6-12 Wochen, um Gewebeschäden zu heilen. Wenn es länger dauert, ist die Ursache sehr wahrscheinlich neuroplastisch. 

  • sich deine Symptomatik  in der Intensität ändert? Die Struktur- oder Gewebeschäden ändern sich nicht in ihrer Intensität. 

  • deine Symptome zu bestimmten Tageszeiten stärker sind, oder es Tageszeiten oder Tage gibt wenn du komplett symptomfrei bist? Struktureller Schmerz ist konstant. 

  • deine Symptome an Wochenenden und im Urlaub verschwinden, verschlimmern sich jedoch an Sonntagabenden oder nach einem anstrengenden Arbeitstag?

  • deine Symptome wieder auftreten, wenn du gestresst, genervt, aufgeregt, wütend, traurig oder ängstlich bist?

  • sich deine Symptome nicht nur auf Schmerzen beziehen? Du kannst auch Reizdarm, Kopfschmerzen oder Sodbrennen haben. Diese Leidenszustände sind ebenfalls oft neuroplastisch. 

  • sich dein Schmerz vom Körperteil zu Körperteil bewegt oder sich ausbreitet? 

  • deine MRT- und Röntgenbilder für eine Person deines Alters und deines Aktivitätsniveaus normal aussehen? 

  • herkömmliche Behandlungen dir (langfristig) nicht zu helfen scheinen? 

Wenn du auch nur eine der Fragen mit Ja beantwortet hast, könnte das ein Indikator sein, dass deine chronischen Symptome neuroplastisch sind. 

3. Somatic Tracking

Somatic Tracking (oder Körper Tracking) ist eine zentrale Technik der PRT, die Achtsamkeit, Vermittlung des Gefühls der Sicherheit und positives Körpererleben verbindet. Das Ziel des Körper Trackings ist es, chronische Schmerzempfindungen durch eine Linse der Sicherheit wahrzunehmen, und diese umzudeuten.

Du kannst das Körper Tracking alleine durchführen oder mithilfe eines Therapeuten/einer Therapeutin. Das Setting dieser Übung hängt von den Besonderheiten deiner chronischen Symptomatik ab. Es kann liegend, sitzend, stehend, oder in Bewegung durchgeführt werden. In der Ausgangsposition sollte es für dich möglichst schmerzfrei und bequem sein.

Somatic Tracking  www.schmerzumdeuten.de

Während der Übung beobachtest du deine Symptome mit Achtsamkeit, aber ohne sie zu bewerten. Du beschreibst sie neutral und nimmst eventuelle Veränderungen wahr. Du musst dabei nichts ändern, du musst die Symptome nicht loswerden. Du bist wie ein Beifahrer im Auto, der das Auto nicht lenkt, sondern die Landschaft genießt.

 

Achtsamkeit allein reicht oft nicht aus, um die Angst rund um den Schmerz loszuwerden. Deshalb spielt die zweite Komponente - die Vermittlung der Botschaft von Sicherheit an dein Gehirn und an dein Nervensystem - eine wichtige Rolle. Wie kannst du dir selber ein Gefühl von Sicherheit vermitteln? Zum Beispiel mit Sätzen wie:

Somatic Tracking  www.schmerzumdeuten.de

"Obwohl es ein enges/brennendes/prickelndes Gefühl ist, weiß ich, dass es sicher ist. Ich bin nicht kaputt. Ich habe viele Beweise dafür. Mein Rücken ist vollkommen gesund. Mein Gehirn interpretiert die Signale, die es aus meinem Körper empfängt, falsch, als ob sie gefährlich wären. Aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Es ist ein Fehlalarm.“ 

Mit etwas Humor und viel Neugier schenkst du dieser Übung Leichtigkeit und auch die nötige Ablenkung von der Schwere deines Leidens. Krampfhaftes Üben wird dein Gehirn noch mehr anspornen, dich mit Schmerzen zu schützen. Das Ziel ist es, dein Nervensystemsystem aus dem Zustand der Kampf-oder-Flucht Modi in den Zustand des Rest-&-Repair zu bringen, und mit Leichtigkeit gelingt es dir eher als mit Frust und Verzweiflung.

4. Gefühlswelt und Traumata

Wenn wir in höchster Alarmbereitschaft, in dem sogenannten Kampf-oder-Flucht Modus sind, interpretieren wir alles eher durch eine Linse der Gefahr. In höchster Alarmbereitschaft werden auch Empfindungen in unserem Körper stärker wahrgenommen und eher negativ gedeutet. PRT zielt darauf ab, das Empfinden dieser Gefahr und damit die ständige Alarmbereitschaft zu senken. Wenn das allgemeine Angst- und Stressniveau abnimmt, ist es wahrscheinlicher, dass das Gehirn Signale des Körpers als unbedenklich interpretiert, was zu einer Schmerzlinderung bzw. Symptomfreiheit führen kann.

 

Oft liegt die Ursache der Symptomatik versteckt in der emotionalen Welt des Betroffenen. Kleine und große Traumata aus der Kindheit oder aus dem Alltag, schwierige Beziehungen mit Familienmitgliedern oder Kollegen, Verlust und Trauer, Scheidung, Überforderung mit Lebensveränderungen wie Eltern- oder Älterwerden können dazu beitragen, dass die Alarmbereitschaft im Alltag aufrechterhalten wird und damit auch die Symptome weiterbestehen. Mit verschiedenen Therapietechniken und Übungen werden in der PRT die unterdrückten Emotionen aus den obengenannten Ereignissen offengelegt und verarbeitet.

Betroffene neigen auch oft dazu, viel Selbstkritik und Druck auf sich selbst auszuüben und sich viel Angst zu machen, sie sind oft perfektionistisch und wollen es allen recht machen. All das verstärkt nochmal die Alarmbereitschaft und  Schmerzanfälligkeit. Im Rahmen der PRT wird dem Betroffenen beigebracht solche negative Verhaltensweisen zu erkennen und zu stoppen. 

Eine praktische Übung: Erstellen einer Zeitachse

Erstelle zwei parallele Zeitachsen. Die erste ist eine Zeitachse mit neuroplastischen Symptomen wie Schmerz, Sodbrennen, IBS, Taubheitsgefühl, Unverträglichkeiten, unerklärliche Hautausschläge, Essstörungen, Schlaflosigkeit, Herzklopfen, Tinnitus usw, die du schon erlebt hast. Die zweite Zeitachse zeigt deine wichtigsten Lebensereignisse (positive und negative) wie Elternwerden, Todesfälle, Heirat, Trennung oder Scheidung, traumatische Erfahrungen, Ruhestand, Jobwechsel, Umzug oder jede andere größere Veränderung im Leben. Neuroplastische Symptome können schon in der Kindheit und Jugend beginnen.

Nachdem du die Zeitachsen erstellt hast, vergleiche sie und prüfe, ob es eine Übereinstimmung zwischen den Lebensereignissen und den neuroplastischen Symptomen gibt. Besteht ein Zusammenhang, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass es sich um neuroplastische Symptome handelt. Wenn du bei der Übung noch einen Schritt weiter gehen möchtest, kannst du die Emotionen identifizieren, die du zu dem Zeitpunkt empfunden hast, als die Symptomatik begann. 

5. Positives Körperempfinden

Betroffene erleben ihren Körper oft als einen Feind. Als ob der Körper absichtlich einen versagen und leiden lässt, die Freude nimmt und einen im Alltag einschränkt. Die neuroplastischen Symptome stehen so stark im Vordergrund, dass alles andere, das Erlebte, das Geplante daran gemessen wird. Das eigene Körperempfinden ist sehr stark negativ belastet. Das will PRT ändern. Den eigenen Körper wieder als Verbündeten zu erleben ist eins der Ziele der PRT. Wenn der Betroffene lernt, sich selbst aus dem "Kampf-oder-Flucht" Modus in das "Sicherheitsmodus" zu bringen, lassen meistens auch die Symptome nach. Dabei sind auch die kleinsten Schritte Richtung Verbesserung so wichtig. Wenn du schon für einen kurzen Moment schaffst, dass deine Symptome weniger werden, z.B. während der Somatic Tracking Übung, ist das ein kleiner Beweis und Motivation für dich, weiter dranzubleiben. Dieser kurze Moment wird dir zeigen, dass du deine Symptome beeinflussen kannst. Nehme diese Momente bewusst wahr, sammele deine "Beweise", damit du dir in den schlechteren Momenten wieder Mut machen kannst.

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