Angst, die falsche Beweislage
Angst ist nur ein weiteres Tool des Gehirns, dich vor “Gefahr” zu schützen; eine andere Bezeichnung für die gleiche Funktion. Angst wird vom Gehirn aktiviert und gesteuert, genau wie Schmerz. Angst ist eng verbunden mit der Wahrnehmung von Gefahr - wenn du eine bestimmte Situation gefährlich wahrnimmst, spürst du meistens auch Angst. Beklemmungsgefühl, Atemnot, Herzrasen, gestörter Schlaf, Schwindelgefühl, innere Unruhe, Zittern – das sind die typischen Merkmale der Angst.
Und Angst ist wirklich tricky! Angst hat sehr viel Macht über uns. Angst ist einer der häufigsten Symptomwechseln (symptom imperative) nach dem die ursprünglichen chronischen Symptome verschwinden. Und mich wundert es nicht. Für mich ist Angst der große Bruder von Schmerz, “Schmerz 2.0” so-zu-sagen. Die Symptome der Angst sind viel variabler, sie sind nicht so einfach im Körper zu lokalisieren, weil sie verschiedene Körperfunktionen und –organe betreffen. Statt einem lokalen Rückenschmerz hat man plötzlich eine Vielzahl von Symptomen im ganzen Körper und das kann einem ziemlich “gefährlich” vorkommen. Dies führt zur mehr Vigilanz und Beschäftigung mit den neuen Symptomen, zu noch mehr Arztbesuchen und Untersuchungen, und damit zur mehr Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Die Aufgabe der Angst ist es, deine Aufmerksamkeit zu fesseln, dich weiterhin mit deinen Symptomen zu beschäftigen und dich von den eigentlichen Ursachen abzulenken.
Mein Lieblingszitat über die Angst ist:
Angst ist eine falsche Beweislage, die echt wirkt.
Angst ist eine falsche Beweislage, eine Statistik, die fehlerhaft sein könnte. Angst ist eine Meinung des Gehirns, eine kognitive und emotionale Bewertung. Angst spielt in der Zukunft. Man hat Angst vor einem Ereignis in der Zukunft, das eventuell eintreten könnte, aber normalerweise nicht eintritt.
Neben der typischen Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte, gibt es eine Vielzahl andere Ängste, die du eventuell gar nicht so bewusst wahrnimmst:
Angst nicht geliebt zu werden
Angst nicht genug zu sein/zu tun
Angst nicht würdig zu sein
Angst zu versagen
Angst andere zu enttäuschen
Angst verlassen zu werden
Angst vor Konfrontation
Angst irreparabel kaputt zu sein
Angst nie wieder gesund zu werden
Das sind alle normale menschliche Reaktionen und jede(r) von uns hatte schon mal mit einer oder anderer Angst zu tun. Angst hat eine wichtige Funktion, aber nur wenn man sie gesund dosiert. Angst löst eine Stressreaktion aus, und wie wir wissen, eine dauerhafte Stressreaktion macht uns körperlich krank. Angst gesund zu dosieren heißt zu lernen, die realen lebensbedrohlichen Gefahren von den mutmaßlichen Gefahren zu unterscheiden. Das kann dein hochentwickeltes modernes Gehirn nicht automatisch - es ist deine Aufgabe, das Unterscheiden bewusst zu üben.
Ein Überfall ist eine reale lebensbedrohliche Gefahr; ein Besuch bei der klammernden Schwiegermutter eher nicht. Eine Begegnung mit einem hungrigen Bären im Wald ist eine echte Gefahr; eine Prüfung oder ein Vorstellungsgespräch eher nicht. Wenn es dir bewusst wird, dass du ständig in der Angst lebst, kannst du den Teufelskreis der Angst durchbrechen, mit den Tools deinem Körper und Gehirn Botschaften der Sicherheit vermitteln und damit dein Zentralnervensystem wieder zur Ruhe bringen. Du wirst sehen, deine körperlichen Symptome werden dann auch nachlassen.