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Normale Abnormalitäten 

Es ist unter den Ärzten bis jetzt die allgemeine Auffassung gewesen, dass eine körperliche Abnormalität zuständig für Schmerzen ist. Zum Beispiel, wenn eine Wirbelsäule anders aussieht als man es aus dem Anatomieunterricht kennt, ist es wahrscheinlich der Grund für das Schmerzempfinden im Rücken. Es wird die “abnormale” Stelle im Körper behandelt. 

 

Heute wissen wir, dass es nicht wahr sein muss. Der neue  biopsychosoziale Ansatz basiert auf dem Verständnis, dass das Gehirn einen viel größeren Einfluss auf die körperlichen Empfindungen hat, als wir einst dachten. Die moderne Schmerzwissenschaft und medizinische Forschung zeigen, dass das Schmerzsystem des Körpers sehr komplex und miteinander verbunden ist - mit physischen Faktoren (wie Genetik und Hormonen) und mit nicht-physischen Faktoren (wie Gedanken und Emotionen).

Die These, dass körperliche Abnormalitäten normal sind und nicht zuständig für chronische Schmerzen sind, wurde schon von Dr. Sarno vertreten. Mittlerweile wird Dr. Sarnos These auch wissenschaftlich  unterstützt.

W. Brinjikji, P. Luetmer et al. haben 3110 CT/MRT Bilder asymptomatischer Personen untersucht und festgestellt, dass über 30% der 20-30 jährigen eine abnormale Wirbelsäule, entweder einen Bandscheibenvorfall oder -vorwölbung, haben. Bei 30-40-jährigen sind es sogar fast 70%, die eine abnormale Wirbelsäule haben, aber gar keine Symptome wie Schmerzen vorweisen. Fast 7 von 10 gesunden 40–Jährigen haben einen Bandscheibenvorfall, sind aber völlig schmerzfrei! Ab dem Alter von 50 Jahren sind es weit über 80%. 

Studie Brinjiki W, et. al. Am J Neuroradiol. 2015 36:811-6.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2006 von K M Refshauge and C G Maher über Schmerzen im unteren Rücken haben die Autoren festgestellt, dass in 85% der Fällen selbst bei den umfangreichsten Tests keine offensichtliche Ursache festgestellt werden kann. Aus diesem Grund wird ein solcher Rückenschmerz heute üblicherweise als unspezifischer Kreuzschmerz bezeichnet. Die Autoren kommen zu der Schlussfolgerung, dass  die "Unfähigkeit, die Pathologie zuverlässig zu identifizieren, zu zahlreichen Hypothesen über die Ursache von unterem Rückenschmerzen geführt hat, darunter eine verringerte Ausdauer der Rumpfstrecker, psychische Belastungen, Inflexibilität der hinteren Oberschenkelmuskulatur, eine schlechte Muskelkontrolle des Rumpfes, eine schlechte Körperhaltung und eine geringe Körpermasse. Es gibt jedoch bestenfalls vorläufige Beweise für einen Zusammenhang zwischen solchen Beeinträchtigungen und dem Vorhandensein von unterem Rückenschmerzen, und den meisten kausalen Hypothesen fehlt es an überzeugenden Beweisen."

Gute Körperhaltung verhindert Schmerzen nicht
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