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Die Kraft der Selbstmitgefühls im Mind-Body-Ansatz

  • Autorenbild: Grete Strunz
    Grete Strunz
  • 11. Apr.
  • 5 Min. Lesezeit
Selbstmitgefühl

Ich spreche oft über Selbstmitgefühl im Zusammenhang mit Mind-Body-Arbeit und darüber, wie wichtig es ist, täglich Selbstmitgefühl zu üben, während du deinen Heilungsweg gehst. Aber was genau bedeutet Selbstmitgefühl in diesem Zusammenhang eigentlich?



Was ist Selbstmitgefühl?


Selbstmitgefühl bedeutet, deinem inneren Erleben mit der gleichen Freundlichkeit, Geduld und Fürsorge zu begegnen, wie du es bei einem geliebten Menschen tun würdest – besonders dann, wenn du Schmerzen hast, dich überfordert fühlst oder Angst erlebst.


Stell dir ein Kind vor – dein eigenes oder eines, das du sehr liebst – das allein im dunklen Zimmer sitzt und weint, weil es Angst vor Monstern unter dem Bett hat. Wie würdest du mit diesem Kind sprechen? Du würdest nicht sagen: "Reiß dich zusammen. Deine Ängste sind völlig unbegründet. Du bist lächerlich, weil du dich so fühlst." Und doch ist das oft die Sprache, die wir gegen uns selbst verwenden, wenn wir Angst oder Traurigkeit verspüren. Wir kritisieren uns, beleidigen uns selbst und schieben berechtigte Gefühle beiseite, weil sie uns unangenehm sind oder wir sie für überflüssig halten.


Wie würdest du also wirklich mit diesem Kind sprechen? Wahrscheinlich würde es sich so anhören: "Hey, mein Schatz, es ist okay, Angst zu haben. Ich bin da für dich, ich lasse dich nicht allein. Es ist völlig normal, sich so zu fühlen. Vielleicht hilft es dir, wenn ich das Licht einschalte und wir gemeinsam unter das Bett schauen. Du bist sicher bei mir."


Oder denk an einen Freund, der gerade etwas Schweres durchmacht. Du würdest seine Schmerzen nicht abtun oder sagen: "Stell dich nicht so an." Du würdest zuhören, mitfühlen und Mut zusprechen.


Oder wie sprichst du mit deinem geliebten Haustier? "Du bist so süß! Gut gemacht mit dem Stöckchenholen! Auch wenn du den ganzen Boden dreckig gemacht hast, ich liebe dich trotzdem so sehr." Kommt dir das bekannt vor?


Warum also ist es so schwer, mit uns selbst in diesem liebevollen, unterstützenden Ton zu sprechen? Warum reißen wir uns stattdessen selbst runter, zweifeln an allem, was wir tun, und behandeln uns so, wie wir niemanden behandeln würden?



Eine Übung zur Selbstreflexion


Denk an eine Situation in deinem Alltag, in der du unzufrieden mit dir warst – vielleicht dachtest du, du seist nicht gut genug im Job, als Partner oder als Elternteil. Was hast du dir in dem Moment gesagt? Schreib alles ehrlich auf.


Jetzt stell dir vor, du findest diesen Zettel ohne jeden Zusammenhang und liest ihn mit den Augen eines Fremden. Wie würdest du reagieren, wenn diese Worte über jemand anderen geschrieben worden wären? Würdest du sie für freundlich und mitfühlend halten? Wahrscheinlich nicht. Du würdest sagen: "Wer so über jemanden spricht, ist ganz schön hart." Und genauso hart sprichst du vielleicht tagtäglich mit dir selbst.



Der feine Unterschied zwischen Selbstmitgefühl und Selbstmitleid


Es ist nicht immer leicht, zwischen Selbstmitgefühl und Selbstmitleid zu unterscheiden. Selbstmitleid entsteht, wenn du dich als Opfer deiner Umstände siehst, dich hilflos und machtlos fühlst, oft begleitet von dem Gefühl, keine Kontrolle über die Situation zu haben.


Es entsteht meist dann, wenn du dich von deinen Symptomen überwältigt fühlst und der Gedanke überhandnimmt, dass Heilung für dich nicht möglich ist – obwohl du dich bemühst. Diese Haltung aktiviert jedoch häufig genau das, was der Körper nicht braucht: Stress, Anspannung und das Gefühl von Bedrohung.


Im Gegensatz zu Selbstmitgefühl, das deinem Nervensystem Sicherheit vermittelt und es dabei unterstützt, in einen Zustand der Regulation zu finden, verstärkt Selbstmitleid oft den inneren Alarmzustand. Es hält dich in der Passivität, macht Symptome „mächtiger“ und kann die Heilung blockieren, weil es deinem Gehirn suggeriert: „Ich bin in Gefahr, und ich komme da nicht raus.“


Selbstmitleid sagt Dinge wie:


  • "Warum passiert das immer mir?"

  • "Was stimmt nicht mit mir?"

  • "Es wird eh nicht funktionieren."

  • "Egal, was ich mache, es wird einfach nicht besser."

  • "Andere haben es leichter. Mein Leben ist einfach zu schwer."


Hörst du den Ton der Hilflosigkeit in diesen Sätzen? Selbstmitleid hält dich fest, während Selbstmitgefühl dich ermutigt. Es erkennt deinen Schmerz an, erinnert dich aber auch an deine Stärke und deine Fähigkeit, Schritte nach vorn zu gehen.


Vom Selbstmitleid zum Selbstmitgefühl


Beim Mind-Body-Ansatz geht es darum zu verstehen, dass Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden sind – und dass chronische Symptome oft durch ein überaktives oder dysreguliertes Nervensystem mitverursacht oder verstärkt werden. Selbstmitgefühl hilft dabei, das Nervensystem zu beruhigen, Sicherheit zu signalisieren und alte Stress- oder Angstmuster zu unterbrechen.


Es ist deshalb zentral, Selbstmitleid achtsam zu erkennen – nicht um es zu unterdrücken, sondern um liebevoll den Fokus zu verschieben: hin zu Selbstmitgefühl. Das Ziel ist nicht, Selbstzweifel oder negative Gedanken komplett auszuschalten – dein Gehirn ist darauf ausgelegt, potenzielle Gefahren zu erkennen. Aber du kannst lernen, anders mit ihnen umzugehen. Statt dich also selbst zu kritisieren oder in Angst zu verfallen, wenn Symptome auftauchen, fragst du dich mitfühlend:


  • "Was brauche ich gerade?"

  • "Wie kann ich mir in diesem Moment Unterstützung geben?"

  • "Was versucht mein Körper mir zu sagen – und kann ich ihm zuhören, ohne sofort in Panik zu geraten?"


Selbstmitgefühl muss nicht immer sanft oder leise sein. Manchmal zeigt sich Selbstmitgefühl lauter – zum Beispiel, wenn du dich fragst: "Was brauche ich gerade?" und die ehrliche Antwort lautet: "Ich bin gerade so richtig sauer und würde am liebsten alle zusammenschreien!" Dann darfst du genau diesen Impuls ernst nehmen – nicht im Außen, sondern in einem sicheren inneren Raum.


Natürlich heißt das nicht, dass du diesen Ärger unkontrolliert an anderen auslassen sollst. Aber in dem sicheren Raum deiner JournalSpeak-Übung darf alles raus. Schreibe ungefiltert, roh, ehrlich. Lass dein Selbstmitgefühl dir die Erlaubnis geben, genau so zu fühlen, wie du dich gerade fühlst – ohne Zensur, ohne Urteil. Denn genau das ist auch Selbstmitgefühl: sich selbst Raum geben für die ganze Bandbreite der Gefühle – auch für die lauten, wilden, chaotischen.


Eine Übung zum Selbstmitgefühl


Denk an das Bild vom Teufel auf der einen Schulter und dem Engel auf der anderen. In dieser Übung ersetzt du den Teufel durch Selbstmitleid, das dir Botschaften von Ohnmacht zuflüstert, und der Engel wird zum Selbstmitgefühl, das dich liebevoll unterstützt.


Wenn das Selbstmitleid beginnt zu sprechen, lade bewusst das Selbstmitgefühl ein, sich ebenfalls zu äußern. Wenn Selbstmitleid sagt: "Du bist nicht stark genug für diese Herausforderung," könnte Selbstmitgefühl antworten: "Du gibst dein Bestes, und das ist genug." Wenn Selbstmitleid flüstert: "Du wirst nie gesund," kann Selbstmitgefühl sanft erwidern: "Heilung braucht Zeit, und jeder kleine Schritt zählt."



Selbstmitgefühl ist ein Muss in der Mind-Body-Heilung


Selbstmitgefühl ist kein netter Bonus für zwischendurch. Es ist kein "mach ich mal, wenn ich Zeit habe oder symptomfrei bin." Nein, Selbstmitgefühl ist nicht verhandelbar. Es ist genauso wichtig wie ein Arztbesuch oder das regelmäßige Üben von körperlichen und mentalen Mind-Body-Techniken.


Selbstmitgefühl ist kein Wegschauen oder Verharmlosen, sondern eine Haltung von innerer Präsenz, Verständnis und liebevoller Zuwendung – und genau das ist im Heilungsprozess oft der Schlüssel zur Veränderung. Es ist eine bewusste Entscheidung, die du jeden Tag triffst: Deine innere Sprache zu ändern, hin zu einer freundlicheren, weicheren, stärkenden Stimme.


Selbst wenn du das nie gelernt hast oder es im Trubel des Lebens vergessen hast: Du kannst es jetzt üben und neu lernen. Dein Gehirn ist veränderbar, dein Nervensystem lernfähig. Also sei heute ein bisschen liebevoller mit dir als gestern. Du hast es verdient.



Nimm gerne Kontakt auf wenn du Unterstützung brauchst. Mehr zu meinem Therapieansatz findest du hier: www.gretestrunz.de


*In diesem Text beziehen sich alle maskulinen Formen auf Personen jeglichen Geschlechts.

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