Die Weihnachtszeit verspricht Freude am Zusammensein, besinnliche Stunden mit der Familie, das Wunder des Gebens.
Leider verläuft es in vielen Familien oft nicht nur fröhlich und harmonisch. Der Druck, der mit Weihnachten einhergeht, kann für jemanden mit einem sensiblen Nervensystem und chronischen Schmerzen eine ziemliche Herausforderung sein. Angefangen beim Geschenkekaufen in überfüllten Läden, über die lange Fahrt zur Familie, das endlose Kochen und Putzen, bis hin zu dem Weihnachtstrubel der Kinder in der Kita oder in der Schule, Weihnachtspartys und Arbeitsstress zum Jahresende. Und dann sitzen sie endlich alle am Weihnachtstisch. Nur statt harmonisch verläuft es eher aufreibend. Der eine macht einen unpassenden Witz, die andere beschwert sich über dein Verhalten, die Kinder seien nicht richtig erzogen, du hättest dich verändert, es gibt Psychospielchen, Stimmungsschwankungen, versteckte Vorwürfe und kleine Nörgeleien. Und Schwupps! Deine Symptome schießen wieder durch die Decke.
"Warum ausgerechnet jetzt?", fragst du dich. Die Antwort ist klar: Stress versetzt dein Nervensystem in Alarmbereitschaft, alte Muster und Dynamiken der Beziehungen triggern dabei die Stressreaktion deines Nervensystems, und dein Gehirn schaltet die Schutzmechanismen ein. In dem Moment will dein Gehirn nur eines: dich aus der stressigen Situation entfernen. Womit kann es dich am schnellsten schützen? Mit Symptomen wie Schmerzen! Du bekommst zum Beispiel Schmerzen und musst zurück ins Bett, weit weg von den Triggern der Familie.
Vergiss deshalb in dem ganzen Trubel nicht, dass du:
dich von dem Weihnachtstrubel zurückziehen darfst;
dich von Situationen, die dich triggern, distanzieren darfst;
die Zeit, die du mit Menschen verbringst, die deine alten Verhaltensweisen und Denkmuster triggern, einschränken darfst, auch wenn sie Familienmitglieder sind;
dir Freude gönnen darfst, lachen und auf dich stolz sein darfst für die kleinen und großen Fortschritte, die du dieses Jahr gemacht hast;
keine Neujahrsvorsätze haben musst!
Hier noch paar Tipps wie du dir und deinem Nervensystem durch die Feiertage helfen kannst:
- Setze klar Grenzen
Alte Muster, vor allem der Familiendynamik, werden in vielen Familien besonders in der Weihnachtszeit stark abspielen. Vielleicht hat es sich seit Jahren oder auch Jahrzehnten bewährt, dass Familienmitglieder bestimmte Rollen freiwillig und unfreiwillig übernommen haben. Wenn die Familie wieder zusammen ist, werden diese Rollen voll bedient. Nörgeleien, versteckte oder auch direkte Vorwürfe, Kritik, Erwartungs- und Leistungsdruck, Wettbewerb und Vergleich zwischen Geschwistern, usw.
Diese Dynamik hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass du heute chronische Symptome hast. Du wurdest in der Vergangenheit ständig um deine Grenzen ignoriert bzw. hast sie selbst nicht klar gesetzt. Dieses Jahr könntest du es anders machen, um deine (mentale) Gesundheit und deine Fortschritte zu schützen. Setze klar Grenzen - wer darf mit dir wie sprechen, welche Witze bzw. Verhalten für dich nicht akzeptabel sind, wie viel Zeit du mit wem verbringst, usw.
- Kommuniziere deine Bedürfnisse
Kommunikation kann beängstigend sein, vor allem wenn es um eigene Wünsche und Bedürfnisse geht und man es vielleicht als Kind unfreiwillig gelernt hat, dass diese nicht wichtig waren oder nicht ernst genommen wurden. Als People-Pleaser möchtest du es allen recht machen. Als jemand, der sich viele Sorgen macht, kümmert es dich, was andere dabei fühlen bzw. von dir halten werden. Da kann es für jemanden, die für Harmonie sorgen will, eine Herausforderung sein, die eigenen Bedürfnisse auszusprechen. Andere können aber deine Gedanken nicht lesen oder deine Gefühle und Bedürfnisse nicht erraten. Deshalb musst du sie klar kommunizieren. Du möchtest z.B. während der Festtagen auch alleine etwas unternehmen und nicht 24 Stunden mit der Familie verbringen? Dann sag das und mach das. Wenn jemand damit ein Problem hat, ist es nicht wirklich dein Problem, weil (und jetzt kommen wir zu dem nächsten wichtigen Punkt):
- Du kannst es nicht allen recht machen
Dir ist dieses Jahr nicht danach, nach Hause zu fahren, weil du lieber mit deinem Freund die Festtage verbringen möchtest? Aber die Familie erwartet es von dir, du bekommst zu hören, wie enttäuscht sie sind, wie egoistisch du bist, wie wenig du deine Familie liebst, usw. Du kannst die Gedanken und Gefühle der anderen Personen nicht beeinflussen. Das müssen sie mit sich selbst ausmachen. Lass dich nicht von den inneren Wunden und Konflikten der anderen provozieren. Deine Aufgabe ist es, liebevoll, aber bestimmend, auf deine (mentale) Gesundheit achtend Grenzen zu setzen und deine authentischen Bedürfnisse zu kommunizieren. Du kannst es nicht allen recht machen, auch nicht zu Weihnachten.
- Ziehe dich zurück bzw. entferne dich aus der triggernden Situation, wenn möglich
Ja, es ist nicht immer möglich oder einfach, sich aus einer triggernden Situation zu entfernen, besonders wenn es um Familie geht. Aber das heißt auch nicht, dass du die Trigger um jeden Preis aushalten solltest, auf Kosten deiner (mentalen) Gesundheit. Vor allem, wenn du gerade dabei bist, deine Traumata zu verarbeiten, ist die Distanz zur den triggernden Personen unerlässlich. In anderen Fällen versuche, eine Rolle des Beobachters einzunehmen: Beobachte ohne Vorurteil oder Kritik, wie die Dynamiken und Muster am Weihnachtstisch ablaufen; sei dir bewusst, was dich eventuell in der Vergangenheit beeinflusst hat und wie du damals als kleines Kind da reingepasst hast. Diese Distanz - physisch oder mental - ist befreiend und gibt dir die nötige Flexibilität, um mit deinen Gedanken und Gefühlen klarzukommen.
- Nur weil Weihnachten ist, unterbrich nicht deine Selbstliebe-Routinen
Die herrliche Weihnachtszeit ist für viele gleichzeitig auch eine nicht so herrlich busy Zeit. Die lang ersehnten Weihnachtsaufgaben werden dann oft zu Verpflichtungen, die man irgendwie dazwischen schiebt, weil man einfach viel zu wenig Zeit für alles hat. Da wird oft aufgrund von Zeitmanagement als Erstes die eigene Selbsthilfe-Routine gekürzt. Jetzt ist sie für dich und deinen Körper aber wichtiger denn je. Deshalb, unterbrich nicht deine Selbsthilfe-Routinen, die dich bisher gut unterstützt haben. Deine (mentale) Gesundheit sollte auch zu Weihnachten deine erste Priorität bleiben!
- Nimm dir Zeit für deine Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen
Falls dir die Festtage zu viel werden, die Triggers überall lauern und dein Fass langsam überzulaufen droht, tritt einen Schritt zurück und nimm bewusst wahr, was da gerade abspielt, wo du in deinen Gedanken bist und wie es dir dabei geht. Deine Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen holen dich wieder in deine Mitte. Aktiviere deinen Vagusnerv z.B. mit dem Summen der Weihnachtslieder. Oder richte deine Aufmerksamkeit auf deine fünf Sinne: schaue dir das Kerzenlicht genauer an, rieche die Düfte in der Luft, taste die Zweige des Weihnachtsbaums, höre dein Lieblingsweihnachtslied und lass die Weihnachtsschokolade auf deiner Zunge zergehen. Die fünf Minuten Atemübungen zwischendurch schaffst du auf jeden Fall. Diese kleinen Achtsamkeiten, auch "Glimmers" genannt, helfen deinem Nervensystem, aus dem Stress zu kommen und dich zu entspannen.
- Co-Regulation mit anderen
So wie dein Nervensystem beim Zusammenprall triggernder Menschen und Situationen in eine Stressreaktion gerät, wird es sich in der Nähe von Menschen, die dir gut tun und eine beruhigende Sicherheit ausstrahlen, entspannen können. Eine Co-Regulation ist eine wunderbare Möglichkeit, deinen Stresslautstärkeregler wieder etwas herunterzudrehen. Körperlicher Kontakt, wie das Umarmen oder das Kuscheln, wirkt wunderbar. Lachen und Singen zusammen mit einer anderen Person ebenfalls. Auch das Streicheln von Haustieren ruft diese Entspannungsreaktion des Nervensystems augenblicklich hervor.
- Bleib auf deinem Weg und bei dir.
Nicht jedem wird das neue Du gefallen, und nicht jeder wird den Mind-Body-Ansatz deiner Heilung verstehen (wollen). Die Glaubenssätze der anderen werden sich durchsetzen wollen; du stößt auf Unverständnis oder sogar Spott. Musst du dich jetzt für den nächsten Kampf aufrüsten, um dein Wissen und deinen Fortschritt zu rechtfertigen? Vielleicht schleichen sich dabei auch einige Zweifel ein: "Was, wenn sie recht haben?"
Bleib auf deinem Weg und bei dir. Sammle weiterhin Beweise für deinen eigenen Fortschritt, feiere die Momente, in denen du dich nicht von den Wunden der anderen provozieren lässt, und sei stolz auf dein Wissen und auf deine Mind-Body-Connection. Du musst nicht jeden am Tisch überzeugen, dass dein Weg der richtige ist. Jeder findet den eigenen Weg zum richtigen Zeitpunkt, wenn er dafür offen und bereit ist. Überzeugen wirst du sie kaum. Vielleicht wird jemand neugierig sein, vielleicht freut sich jemand genau über diese Informationen, vielleicht aber auch nicht, und es ist ok.
Du bist einzigartig. Dein Weg ist einzigartig. Kein Weg ist identisch. Du hast dieses Jahr viel geschafft und den ersten wichtigen Schritt gemacht. Du bist mutig und widerstandsfähig. Auch Weihnachten ändern nichts daran. Glaube weiter an deinen Weg und an dich!
Ich wünsche dir frohe stressfreie Weihnachten!
Deine Grete
Comments